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Bedeutung der Digitalisierung des Besuchermanagements für die Lenkung von Radfahrenden in Schutzgebieten

Die digitale Transformation verändert die Ansprüche und Rahmenbedingungen für das Besuchermanagement von Radfahrenden in Schutzgebieten. Das hat zur Folge, dass die Maßnahmen zur Bewahrung von Schutzgütern in sensiblen Gebieten und zur Minimierung von Konfliktpotenzialen nicht auf analoge Methoden beschränkt sein sollten, um wirkungsvoll sein zu können.

Flächendeckender Mobilfunkausbau, die Verfügbarkeit von Smartphones und eine digitale Alltagskultur haben zur dauerhaften Partizipation der Bevölkerung an Informationsnetzen geführt (Stichwort Web 2.0). Dadurch wird das digitale Informationsangebot für Outdoor-Aktivitäten wie dem Biken über soziale Medien und GPS-Plattformen (GPS steht für Global Positioning System; dt.: Globales Positionsbestimmungssystem) fortlaufend erneuert. Nutzende finden hierdurch vereinfacht Zugang zu aktuellen und für sie relevanten Informationen entlang ihrer individuellen Customer Journey.

Von der Inspiration über die Informationsrecherche und Reiseplanung bis zum tatsächlichen Bike-Erlebnis finden die meisten Berührungspunkte zwischen Radfahrenden und Schutzgebiet digital statt oder sind – im Fall des Erlebnisses vor Ort – zumindest digital begleitet. Smartphone-Apps liefern Bikerinnen und Bikern bereits vor Besuch des Schutzgebietes detaillierte Informationen zum Gebiet und möglichen Aktivitäten. So finden Bikende über ihr Smartphone Routeninformationen wie Streckenverlauf, Länge der Route, Höhenprofil, Wegeuntergrund, aktuelle Wegebeschaffenheit, kulturelle und natürliche Highlights, Rastmöglichkeiten, gastronomische Angebote inklusive Speisekarte, Wettervorhersage, Übernachtungsmöglichkeiten, Sicherheitsinformationen, Informationen zu Bike-Services etc. – vieles oft inklusive Videos und Fotos von anderen Besuchenden. Diese Informationen sind jederzeit und unabhängig vom eigenen Standort nahezu überall verfügbar.

Dies führt bei Nutzenden zum einen dazu, dass Entscheidungsprozesse wesentlich kürzer geworden sind. Zum anderen erfährt jede Nutzerin und jeder Nutzer eine individuelle Customer Journey mit unterschiedlichen Informationsbausteinen und -qualitäten. Eine Informationshoheit über die eigene Region und das eigene Schutzgebiet gibt es damit nicht mehr. Vielmehr verschiebt sich die informative „Gatekeeper“-Funktion hin zu den Anbietern sozialer Netzwerke und GPS-Plattformen, auf denen nutzergenerierte Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Auch diese Anbieter haben kein Informationsmonopol. Ihre Bedeutung für digitales Besuchermanagement wächst jedoch mit ihrer medialen Reichweite und der Anzahl ihrer Nutzer:innen.

Bikerinnen und Biker stellt das vor die Herausforderungen, dass die auf GPS-Portalen verfügbaren Bike-Touren nicht zwingend auf Wegen verlaufen, die für das Radfahren freigegeben und aus naturschutzfachlicher Sicht geeignet sind. Unwissenheit bei Nutzenden kann zu Nutzungskonflikten, erhöhten Besucherströmen und übermäßiger Belastung von Naturräumen führen.

Die einfache Schaffung und leichte Zugänglichkeit nutzergenerierter Inhalte (engl.: user-generated content) führt zu Datenmassen, die von Schutzgebieten nur schwierig überschaut und beeinflusst werden können. Die Informationsflut für Nutzer:innen kann auch dazu führen, dass direkte Besucherinformationen des Schutzgebietes – analog wie digital – erschwert wahrgenommen werden.

Umso bedeutsamer werden Nutzerorientierung und Partizipationsprozesse bei der Entwicklung von Besuchermanagement-Maßnahmen für Radfahrende. Eine hohe Akzeptanz sowohl beschränkender Maßnahmen (beispielsweise Wegerückbau, Bau von Barrieren etc.) als auch angebotsgestaltender Maßnahmen (Ausweisung von MTB-Routen, Schaffung von Bike-Infrastruktur etc.) fördern eine reichweitenstarke Kommunikation über indirekte Kommunikationswege wie beispielsweise user-generated content in sozialen Medien und auf GPS-Plattformen.

Über den Einsatz von „Digitalen Rangern“ wird derzeit im Nationalpark Bayerischer Wald, dem Naturpark Nagelfluhkette, dem Biosphärenreservat Rhön und anderen Schutzgebieten versucht, Routeninformationen und die ihnen zugrunde liegenden OpenStreetMap-Daten auf GPS-Plattformen im Sinne des Schutzzweckes zu beeinflussen bzw. korrekt einzupflegen. Ebenfalls sollen die digitalen Kompetenzen klassischer Rangerinnen und Ranger gestärkt werden und die digitale Naturschutzkommunikation der Schutzgebiete gefördert werden.

Der Verein Digitize the Planet e. V. hat sich zudem zur Aufgabe gemacht, geltende Schutzgebietsbestimmung en zu digitalisieren, zu strukturieren und über eine digitale Schnittstelle diese Informationen als georeferenzierte und maschinenlesbare Daten kostenlos zur Verfügung zu stellen (siehe Wissensbeitrag Digitize the Planet e. V.).

Digitale Besucherprognosen

Die Digitalisierung des Besuchermanagements verändert dieses gleichzeitig auch strukturell. Die vier klassischen Handlungsbereiche Angebotsgestaltung, Besucherinformation, Besucherlenkung und Besuchermonitoring werden schrittweise durch digitale Besucherprognosen ergänzt werden.

Besucherprognosen basieren auf Erfahrungen eines fortlaufenden Besuchermonitorings in Kombination mit Echtzeitdaten und ermöglichen Vorhersagen über Muster bzw. Trends von Verhaltensstrukturen, Besucherströmen und Hotspot-Entwicklungen. Schutzgebiete könnten somit kurzfristig auf Veränderungen reagieren und gezielt Lenkungsmaßnahmen ergreifen. Diese datenbasierten Prognosen bieten ein tieferes Verständnis für Besucherströme und ermöglichen eine Optimierung der eigenen Besuchermanagement-Strategie. Grundlage hierfür sind qualitativ hochwertige Daten sowie ausreichende Ressourcen und die Expertise in Schutzgebieten, um Prognosesysteme aufzubauen und zu betreiben.

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